Argumentativ haben wir dann das:
1. Na dann schauen wir uns mal exemplarisch ein gängiges historisch-kritisches Lehrbuch, Theißen/Merz, „Der historisch Jesus“ (V&R 2. Auflage), an.
Auf etwas mehr als einer Seite (S. 123f.) wird die These von G.A. Wells präsentiert Jesus sei eine Erfindung der dritten Christengeneration.
Wells argumentiert typisch radikalkritisch:
1. Außerbiblische Belege seien zu spät und von der christlichen Tradition abhängig.
2. Die Evangelien werden komplett als historisch Quelle verworfen und seien spät (wohl weit nach 70 n.Chr.) entstanden. Die Verfasse (außerhalb von Palästina) seien keine Juden gewesen und würden nur theologisch-legendarische Vorstellungen präsentieren.
3. Die Paulusbriefe seien zwar frühe christliche Zeugnisse aber würden zum Leben Jesu schweigen. Die Apostel würden einen mythischen Jesus verkündigen. (Ich vermute mal Richard Carrier wurde von Wells bzgl. 1. Kor. 15,3ff. inspiriert.)
Theißen/Merz nutzen nun diese Thesen um Aufgaben zu stellen. Auf Seite 503f. gibt es die Lösungen. Auch wieder Rund eine Seite.
Sie argumentieren mit der breite der christlichen Überlieferung bzgl. der Brüder Jesu in verschiedenen Traditionszusammenhängen (Paulus, Markus, Johannes, Thomasevangelium) und außerchristlich bei Josephus, bei dem es keine Stichhaltigen Gründe für eine Interpolation gibt.
Für sie sind die Belege historisch glaubwürdig durch eine Mischung von kohärenten und tendenzwidrigen Aspekten.
Ferner schreiben sie, dass wir allein durch die Paulusbriefe die auch Wells akzeptiert schon ein Fülle von Jesus wüssten:
Er war ein Jude aus einer davidianischen Familie, hatte mehrere Brüder, einer mit Namen Jakobus und einiges mehr – bis hin zu seiner Kreuzigung und das nach seinem Tod Anhänger durch Erscheinungen des Auferstandenen davon überzeugt waren, dass er lebt.
Unterm Strich sind das etwas mehr als zwei Seiten (Eine Seite Darstellung/Aufgabenstellung und eine Seite Widerlegung/Lösung) die in diesem Lehrbuch der Jesus-hat-gar-nicht-existiert-These gewidmet werden und das in einem Buch mit 557 Seiten.
Robert E. Van Voorst liegt also an Hand dieses Beispiels gar nicht so falsch.


2. Wer sich tatsächlich etwas ausführlicher mit der Frage „Hat Jesus von Nazareth existiert?“ beschäftigt hat ist Stefan Gutavsson in dem bereits mehrfach genannten Buch „Kein Grund zu Skepsis!“.
Die (durchaus imposante) Reihe von jenen die selbstverständlich von der Historizität Jesu ausgehen wird dich vermutlich nicht beeindrucken.
Ich finde sie trotzdem interessant:
Voltaire, Rudolf Bultmann, Samuel Byrskop, Robert Van Vorst, Graham Staton, Richard Burridge, N.T. Wright, Gzea Vermes, Craig Evans, Bart Ehrman.
Dargestellt werden dann sieben Gründe von Van Vorst warum Jesus ganz sicher gelebt hat: Datierung der Evangelien ins 1. Jh., außerbiblische Quellen, Wirkungsgeschichte des historischen Jesus d.h. Entstehung des Christentums etc. etc. (Alles abzuschreiben ist mir zu mühsam. Das Buch solltest du wirklich lesen!)
Bibelwissenschaftler und klassische Historiker (mit ganz unterschiedlichem weltanschaulichem Hintergrund) betrachten jedenfalls die Theorie Jesus könnte nicht existiert haben als widerlegt. (Van Vorst).
Sie rangiert in etwa auf dem Level moderner Verschwörungstheorie bzgl. der Mondlandung oder 9/11.
Ich verstehe ehrlich gesagt auch nicht warum du dich für eine argumentativ so schwache, de facto widerlegte, Position hier stark machst?
Tacitus bezieht sich aber eindeutig auf eine historischen Mann, der Christus genannt wird, und von Pontius Pilatus hingerichtet wurde. Da steckt einiges an historische Informationen über Jesus drin: Hinrichtungsart, Zeit der Hinrichtung, Pilatus der das Urteil fällte, Ursprung der christlichen Bewegung.
Bei Buch 18 liegen sehr wahrscheinlich Einschübe vor aber die lassen sich relativ leicht identifizieren.
Auch Theißen/Merz gehen von einer leichten christlichen Überarbeitung aus. (S. 82)
Der sehr wahrscheinliche Original-Josephus Text lässt sich plausibel rekonstruieren und ist als historische Quelle auswertbar. (so auch Gustavsson S. 72ff.)
Die Erwähnung in Buch 20 der Jüdischen Altertümer über Jakobus, Bruder des Jesus, der Christus genannt wird, gilt als echt. (so auch Theißen/Merz S. 74).
Laut dem jüdischen Josephus-Forscher Louis H. Feldmann haben nur wenige die Echtheit bezweifelt. (zitiert nach Gustavsson S. 72)
Und selbst damit steht er außerhalb des sehr breiten Konsenses zur Historizität Jesu.
Ohne Anerkennung und Auswertung der neutestamentlichen Schriften als historische Quellen für Jesus kommt man – nur mit den außerbiblischen Quellen – zu den sieben Punkten die Gustavsson zusammenfasst:
1. Er war ein jüdischer Mann.
2. Er wirkte in Judäa irgendwann zwischen 26-36 n.Chr.
3. Er war als weiser Mann, als Lehrer und für seine wundersamen Taten bekannt.
4. Er wurde unter Pontius Pilatus hingerichtet. 5. Er ist Anlass für die christliche Bewegung, die in Judäa startete.
6. Die christliche Bewegung wuchs trotz der Hinrichtung Jesu, verbreitete sich bis nach Rom, wo sie auch auf viel Widerstand traf.
7. Er hatte einen Bruder, der Jakobus hieß und im Jahr 62 hingerichtet wurde.
Die Quellen sind verschieden, unabhängig, zeitlich nahe (im Jahr 93/94 und 116), mit unterschiedlichen Bewertungstendenzen (neutral und kritisch). Sie erfüllen also mehrere der allerwichtigsten Kriterien zur Bewertung historische Quellen.
Stefan Gustavsson, Kein Grund zur Skepsis, S. 79
Nimmt man die Paulus-Briefe hinzu sind es schon 20. Punkte bei Gustavsson aufzählt.
Das mMn. historisch korrekte Bild ergibt sich aber erst bei historisch-exegetischer Auswertung des gesamten Neuen Testaments.
Ehrlich gesagt finde ich die Jesus-Mythos-Theorie ziemlich uninteressant, ja langweilig . Zum einen weil sie mMn. plausibel widerlegt wurde und zum anderen weil sie die Evangelien (und andere Teile des NT) pauschal als historische Quellen ablehnt.
Das ist allein schon angesichts des Selbstanspruchs der NT-Autoren (Lk. 1,1-4) und den (damals noch lebenden) Augenzeugen Jesu (1. Kor. 15 unbegründet. Auch R. Baukhams Nachweis einer authentischen Namens-Verteilung in den Evangelien für die Zeit Jesu widerlegt schon die Behauptung die Evangelien wären später als 70 n.Chr. entstanden. (Jesus and the Eyewitnesses)
Auch alle kirchengeschichtlichen Quellen sprechen für eine frühere Abfassung.
Und letztlich hängt auch die ganze christliche Wirkungsgeschichte ohne historischen Jesus unerklärbar im Plausibilitäts-Vakuum.
Sorry, aber da sind selbst die – von mir oft kritisierten Ansätze/Theorien/Hypothesen der historisch-kritischen Tradition (die Richard Carrier ja auch verwirft) — plausibler.
Die Jesus-Mythos-Theorie besitzt keinerlei historische Plausibilität.