Jein. Sünde ist ein Zustand - nämlich der Gottesferne.
Mir scheint, dass Du Dich sehr auf menschliche Straftaten beziehst. Solange man jemand nur in Gedanken verprügelt, kann man dafür nicht haftbar gemacht werden. Bei Gott ist das m.E. etwas anders, da er uns bereits ins Herz sieht. Gottesferne ist ein geistlicher Zustand.
Sünde ist alles, was Beziehungen zerstört: zu Gott und zu unseren Mitmenschen. Solange unsere Gedanken nicht in Taten umgesetzt werden, mag das noch keinen allzu schlimmen Effekt haben, ist aber der Beginn einer Prozesskette, die Du gerade eben selbst beschrieben hast.
Ich bin kein Verfechter von Angstglauben, aber von Agape. Und Agape fängt mit Willensentscheidungen an: dem Willen Liebe zu leben und daran festzuhalten.
David hatte in unserem Beispiel keinen Willen, beim Anblick Batsebas seiner Lust zu widerstehen. Obwohl er wissen musste, dass diese Frau verheiratet ist hat er den Anblick weiter genossen und sich aufgegeilt - um es mal drastisch zu formulieren.
An diesem Punkt beginnt die Sünde - er gibt sich Gedanken hin, die schließlich zu Taten und zum vollzogenen Ehebruch führen.
Bereits in seinen Gedanken hatte er mehrere Beziehungen gestört: die zwischen Batseba und ihrem Mann, die zwischen sich und seinen Frauen, die zwischen sich und Batseba, die zwischen sich und Gott und die zwischen Batseba und Gott. Gedanklich war er zu diesem Zeitpunkt bereits in der Gottesferne.
Darum warnt Jesus davor, bereits allzu leichtfertig mit Gedanken umzugehen.
Sicher hätte er vor dem Beischlaf noch die Reißleine ziehen können und damit Schlimmeres vermieden. Das wäre ein Ausdruck dafür gewesen, dass er nicht dem Weg der Sünde weiter folgen will, sondern sich auf Gott zurückbesinnt.
Ein Mann oder eine Frau, die sich solchen Gedanken unreflektiert hingeben, stören bereits vorhandene Beziehungen. Ein verheirateter Mann begeht vielleicht keinen Ehebruch, wird aber wahrscheinlich unzufrieden mit seiner Ehefrau. Er verheimlicht diesen Teil seiner Gedanken, empfindet die Sexualität als unzureichend und stellt Forderungen, die er sonst nicht stellen würde. D.h. die reine Liebe wird getrübt.
Da wir alle letztendlich in Sünde leben, geht es mir hier nicht darum mit der Sündenkeule zu drohen, sondern die Gründe aufzuzeigen, warum Gott hier schon in den Gedanken ansetzt.
Ja. Und Sünde beginnt bereits da, wo wir uns bewusst sündigen Gedanken hingeben. Es ist wie beim Autofahren: mein Fahrlehrer sagte mal: da wo das Auge ist, ist auch das Auto. Soll heißen: wenn ich meinen Blick von der Straße abwende, ziehe ich unbewusst auch das Lenkrad ein Stück in diese Richtung - ich komme von der richtigen Spur ab.
Sünde ist daher für mich nicht erst der Ehebruch an sich, sondern der Punkt, bei dem David sich bewusst Gedanken hingab, die sein Lebensauto in die Gottesferne führen musste.