"Dogmatisch" würde bedeuten, dass ich Wunder selbst dann noch leugne, wenn ich selber überzeugende Belege dafür hätte und es mit eigenen Augen erlebe. Falls das der Fall wäre müsste ich zumindest das Phänomen selbst zur Kenntnis nehmen - also etwa einen Toten, der wieder lebendig wird. Das wäre dann eine Tatsache.
Ob die Erklärung dieses Phänomens - nämlich ein Eingreifen Gottes - dafür zutreffend ist wäre dann wieder eine andere Frage, die getrennt beantwortet werden müsste.
Eine grundsätzliche Offenheit kann aber nicht bedeuten, dass ich einfach alles glaube, was behauptet wird. Dafür müssen hinreichende Gründe vorliegen. Und ich denke, das handhabst du auch nicht anders.
Ich zweifle weder an deinem Glauben, noch dass du persönliche Gründe dafür hast, die biblischen Bereichte als wahr zu betrachten.
Aber hier geht es ja um allgemeingültige, sachliche Begründungen, die die Berichte auch bei möglichst nüchterner Betrachtung als höchstwahrscheinlich wahr erscheinen lassen.
Solche Begründungen lieferst du hier aber nicht. Du beschränkst dich lediglich darauf, jede "weltliche" Erklärung als unwahrscheinlich abzulehnen und der "übernatürlichen" Erlärung den Vorzug zu geben.
Die Frage ist nicht, ob sie grundsätzlich möglich sind (Das kann kein Mensch völlig ausschliessen), sondern ab wann sie als wahrscheinlich anzusehen sind.
Und da ist die Ausgangsbasis nun einmal, dass es kein einziges allgemein anerkanntes und nachgewiesenes göttliches Wunder gibt. Es gibt lediglich Erzählungen davon, die sich einer konkreten Überprüfbarkeit entziehen.
Ich halte das für unausgegorene, vorgeschobene Schnellschüsse nur um das Wunder der Auferstehung ausschließen zu können.
Nun, dann betrachten wir doch mal ganz nüchtern ein paar Tatsachen, die auch du nicht leugnen kannst:
- Die Römer hatten die Möglichkeit, den Leichnahm Jesu zu entfernen. Über mögliche Gründe lässt sich nur spekulieren, allerdings waren dem Bericht nach ausser den Römern keine anderen Menschen dort, als der Leichnahm verschwand. Am nächsten Morgen waren sie den Berichten nach nicht mehr vor Ort.
- Die Jünger befanden sich in einer verzweifelten Situation, hatten ihr Zentrum verloren und wissten nicht, wie es weitergehen sollte.
- die Jünger interpretierten Begegnungen mit verschiedenen Menschen (Dem Gärtner, einem unbekannten Fremden) im nachheinein als Begegnungen mit dem auferstandenen Jesus.
- Die Jünger sahen sich verschiedener Kritik ausgesetzt, bei einer bestimmten Gelegenheit warf man ihnen später Trunkenheit vor.
- Auch unter den Jüngern selbst gab es Zweifel am auferstandenen Jesus
- Zwar gelang es den Jüngern innerhalb Jerusalems einige Anhänger zu gewinnen, die Jerusalemer Gemeinde war jedoch nicht dauerhaft von Bestand.
- Hinzu kommt (Korrigiere mich wenn ich falsch liege, da bist du der Fachmann), dass gar nicht genau bekannt ist, was die Jünger innerhalb der ersten Gemeinde überhaupt gepredigt haben und was genau die Anhänger glaubten. Denn zu diesem Zeitpunkt waren verschiedene Glaubensinhalte noch unklar, erst im Laufe der Zeit kam man hier zu verschiedenen Übereinkünften.
- Der christliche Glaube wurde erst in Gegenden wirklich erfolgreich, in der Jesus selbst nie persönlich gewesen ist.
Natürlich habe ich die Argumente jetzt bewusst einseitig herausgesucht, sie entsprechen aber den Berichten. Und das bedeutet, dass es auch in den Berichten selbst deutliche Hinweise auf eine rein "weltliche" Erklärung gibt.
Wenn aber eine rein weltliche Erklärung vorhanden und plausibel ist, also im Rahmen des Möglichen, dann bräuchte man schon sehr schwerwiegende Gründe, um hier noch von einer übernatürlichen Erklärung auszugehen.
Dazu wäre es etwa hilfreich, mehr über die Persönlichkeit der Autoren, ihre Vorgehensweise und Methodik zu wissen - darüber ist uns aber praktisch nichts bekannt. Die Evangelien wurden erst viele Jahre, wahrscheinlich Jahrzehnte nach den Ereignissen verfasst, zu einem Zeitpunkt als die Autoren von der Richtigkeit der Lehre überzeugt waren.
Natürlich "muss" man nach anderen Erklärungen suchen. Alles andere wäre naiv, denn dann würde man ja unbesehen einfach alles glauben.
Die Frage ist also, wann genau man geschilderte "Wunder" für glaubwürdig halten sollten. Und da hast du mir bislang noch kein einziges allgemeingültiges Kriterium nennen können. Wann du etwas glaubst oder nicht glaubst ist letztlich völlig willkürlich.
Holm Tetens, „Gott denken. Ein Versuch über rationale Theologie“ S. 15 (Reclam)
Ich hatte an anderer Stelle mal gefragt, wie Gott in der Naturwissenschaft berücksichtigt werden könnte. Das fängt schon mit der Frage an, wie man "Gott" in diesem Sinne überhaupt definieren kann, damit man weiss, wovon man hier überhaupt spricht.
Eine Antwort habe ich nicht bekommen, aber vielleicht fällt dir eine ein?
Für diese Aussage nimmst du Wunder aber bereits als Tatsache gegeben an. Es geht aber um die Frage, wie man überhaupt darauf kommt, dass sie wahr sind.
Beispiel?
Was müsste ich dir gegenüber behaupten, um glaubwürdig zu sein?
Aber das Buch Mormon behauptet auch eine Textsammlung aus mehreren Jahrhunderten zu sein und die meisten Mormonen glauben das bis heute.
Ja, da hört die Vergleichbarkeit auf. Deshalb schrieb ich ja, dass es mir nur um einen bestimmten Aspekt geht - in diesem Fall um Menschen, die Dinge bezeugten (Und offenbar auch selber glaubten), die sich mit einfachen Mitteln als falsch herausstellen konnten. Die Ehefrau eines Anhängers hat ja den Betrug sogar aufgedeckt, indem sie einige Manuskripte verschwinden liess und es Joseph Smith nicht möglich war, diese zu rekonstruieren... obwohl er zu diesem Zeitpunkt angeblich noch die Orginalplatten besaß.
Da die Bibel eine Textsammlung ist betrachte ich hier immer nur einzelne Aspekte. Wie beispielsweise die Situation der Jünger nach der Kreuzigung.
Die christliche Voreingenommenheit ist doch meist dein Haupt“argument“ gegen die NT-Autoren.
Ja, weil Dinge ungeprüft als wahr angenommen werden, die das eigene Weltbild stützen.
Ich vertrete im Gegensatz dazu die Auffassung, alles, aber auch wirklich alles kritisch zu prüfen.
Sie sind möglich. Das ist schon der ganze Punkt daran.
Wie dumm müsste man dann als Römer sein das Grab auszuräumen und damit genau diese Gerücht zu befeuern?
Der Bericht über die Römer, ihre Kenntnisse und Absichten wurde Jahrzehnte später verfasst, eine Quelle kennen wir nicht. Glaubwürdig ist das nicht.
Es waren die erklärten Gegner Jesu. Das dürfte eher unwahrscheinlich sein.