Wir sind uns einig, dass es völlig Neutralität nicht gibt, aber uneinig darüber welche Haltung ihr am nächsten kommt.
Ich verstehe darunter eine Unvoreingenommenheit, die Entscheidungen für oder gegen eine Sache allein aufgrund der Plausibilität der Argumente fällt.
Dabei gehe ich davon aus, dass wir trotz unterschiedlicher Perspektiven und Voraussetzungen ein grundsätzlich ähnliches Verständnis davon haben, was ein Argument "plausibel" erscheinen lässt.
Wenn du irgendwo in eine andere Stadt fährst, und dort begegnet dir ein Nachbar von dir, dann wird es dir als plausibel erscheinen, wenn dieser sagt, dass er mit dem Auto gekommen ist. Es erscheint aufgrund der Alltäglichkeit nicht notwendig, diese Aussage grundsätzlich in Frage zu stellen, obwohl es ja auch gelogen sein könnte.
Erzählt der Nachbar jedoch, ein Engel hätte ihn heute morgen in die Stadt getragen, dann ist das eine Aussage, die man nicht einfach so als gegeben hinnehmen würde. Obwohl wir das Gegenteil nicht beweisen können, erscheint es kaum als glaubwürdig - in so einem Fall würden wir die Aussage hinterfragen und nach weiteren Hinweisen und Erklärungen verlangen, bis wir von der "Engelreise" als Tatsache überzeugt sind.
So lange es glaubwürdigere Alternativen gibt erscheint die Sache mit dem Engel fragwürdig, und es besteht kein hinreichender Grund sie als Tatsache anzusehen.
Mir scheint, du hast die Vergleichsebene nicht verstanden. Ich schrieb von der Entstehung des Buches Mormon, nicht von seiner Verbreitung. Und selbstverständlich kann man in tausend Jahren in Salt Lake City auch Ausgrabungen machen, dann gibt es auch eine Mormonen-Archäologie. Genau so wie ich vermute, dass man inzwischen auch längst Sekundärliteratur und Textkritik hat (Ich kenne mich bei den Mormonen aber kaum näher aus), die sich dann ebenfalls finden liesse.
Und wenn man dann Fotos und Papiere findet, kann man auch den Beginn des mormonischen Glaubens belegen - genau so, wie man möglicherweise auch zeigen kann, dass das Buch Mormon über tausend Jahre korrekt überliefert wurde (Wer weiss, was für Medien man in tausend Jahren verwendet...).
Aber das sagt alles nichts über die Wahrheit der Entstehung aus - genau so wenig, wie die korrekte Überlieferung der Evangelien, die zweifellos gegeben ist, etwas über ihren Wahrheitsgehalt aussagt.
Deine Behauptung ging allerdings weiter: Die Wahrheit des Evangeliums soll die glaubwürdigste Schlussfolgerung sein, die man aus den Texten entnehmen kann. Das geht also schon etwas weiter.
Nicht jeder der Anwesenden damals in Jerusalem verstand jede der Sprachen. Das würde uns heute noch merkwürdig und ziemlich chaotisch vorkommen.
Zitat Apostelgeschichte: "Sie entsetzten sich aber, verwunderten sich und sprachen: Siehe, sind nicht diese alle, die da reden, Galiläer? Wie hören wir sie denn ein jeder in seiner Muttersprache? Parther und Meder und Elamiter und die da wohnen in Mesopotamien, Judäa und Kappadozien, Pontus und der Provinz Asia, Phrygien und Pamphylien, Ägypten und der Gegend von Kyrene in Libyen und Römer, die bei uns wohnen, Juden und Proselyten, Kreter und Araber: Wir hören sie in unsern Sprachen die großen Taten Gottes verkünden. Sie entsetzten sich aber alle und waren ratlos und sprachen einer zu dem andern: Was will das werden?" (Apostelgeschichte 2, 8-12)
Nach der Beschreibung war mindestens ein dutzend verschiedener Menschen anwesend, die aufgrund eines "Brausens" zu der Stelle zu den Jüngern kamen und sie in ihrer jeweiligen Muttersprache reden hörten. Und zwar nicht irgendetwas, sondern die "Verkündung der grossen Taten Gottes".
Es gab also etliche Zeugen, die hier Erstaunliches zu Protokoll hätten geben können. Trotzdem musste sich Petrus vor den ebenfalls anwesenden Leuten rechtfertigen, die das ganze für Trunkenheit hielten. Wirklich überzeugend war die Sache jedenfalls nicht.
Waren wir uns nicht vorhin noch einig, dass solche Unterstellungen nicht weiterführen?
Davon abgesehen: Wer bin ich, dass ich Wunder ausschliessen sollte? Allein die Existenz des Universums ist für mich ein einziges Wunder, das wir uns nicht erklären können... und ich gehe davon aus, dass die drei für uns wahrnehmbaren Dimensionen mit Zeit und Materie, nur einen kleinen Bruchteil der Realität ausmachen. Und selbst das haben wir kaum verstanden... geschweige denn den "Geist", der ja materiell nicht zu erklären ist.
Aber gerade weil ich mir der Begrenztheit unseres Verstandes bewusst bin bin ich "Wundergeschichten" gegenüber auch entsprechend vorsichtig. Und die Evangelien halte ich in diesem Sinne für nichts Besonderes... da kann damals alles Mögliche passiert sein.
Eben. Das ist nichts Besonderes - sollte aber erwähnt werden. Es gab schon damals Leute, die die Geschichten für unglaubwürdig hielten - obwohl sie den Jüngern unmittelbar begegneten und sich aus erster Hand informieren konnten!
Bei 3000 Neubekehrten (Apg. 2, 41) waren vermutlich auch welche darunter die zunächst und irrtümlich von Trunkenheit ausgegangen waren.
Das ist jetzt allerdings reine Spekulation... die schon allein deshalb unwahrscheinlich ist, dass Petrus mit Sicherheit selbst ausgesagt hätte: "Und jene, die zunächst zweifelten, bekehrten sich und folgten den Jüngern" - statt den Vorwurf der Trunkenheit niederzuschreiben. Warum hätte er einen solchen Erfolg allein als Anfeindung aufschreiben lassen sollen?
Würde ich Alles in den Evangelien Geschriebene als Tatsache auffassen würden wir diese Diskussion gar nicht erst führen. Denn es geht ja gerade um die Frage, was dafür oder dagegen spricht, dass alle Informationen korrekt sind.
Was die Befehle der Römer und die Gespräche der Hohepriester betrifft, so konnten die Evangelisten jedenfalls kaum auf Informationen aus erster Hand zurückgreifen. Bei den Leuten, die diese Gespräche führten, handelte es sich ausschliesslich um Gegner Jesu und seiner Anhänger, die Anwesenheit bei einem solchen Gespräch wäre lebensgefährlich gewesen.
Woher diese Informationen überhaupt kamen wird auch nicht gesagt, es können demnach auch Gerüchte von Bediensteten oder auch nur eigene Vermutungen sein.
Du findest es plausibel, dass die Römer einem vermeintlichen Unruhestifter, den sie hinrichten liessen, ein edles und teures Grabmal, welches seinen Anhängern als Pilgerstätte dienen könnte, zugestehen? Offenbar handelte es sich ja um eine allgemein zugängliche Grabanlage, die seinen Anhängern bekannt war.
Die Entscheidung, das man einem verurteilten Verbrecher und Unruhestifter kein solches Grabmal und kein ehrenvolles Grab zugestehen wollte erscheint mir ausgesprochen nachvollziehbar.
Auch wenn den Römern damals wohl nicht bewusst war, was sie damit in Gang setzen würden...
Thomas ist wieder ein anderer Fall. Wobei ich gerade hier einen weiteren Beleg sehe, dass der "auferstandene Jesus" keineswegs allen Jüngern überzeugend schien - und dass, obwohl sie doch schon vorher Zeugen waren von Toten, die wieder ins Leben zurückkehrten!
Da frage ich mich also eher an dieser Stelle: Wie kommt es denn übrhaupt, dass ein Jünger, bei allem, was er mit Jesus alles schon an Wundern erlebt haben soll, dennoch an der Echtheit des Auferstandenen zweifelt...?
Habe ich so auch nicht behauptet. Aber es ist ein Hinweis darauf, dass sie sich Vorwürfen ausgesetzt sahen, nicht bei Sinnen zu sein.
Wie ich immer wieder schrieb: Ich gehe von keiner bewussten Fälschung aus, sondern von einer Selbsttäuschung.
Aber keinen einzigen der angegebenen "500 Zeugen". Womit dieser Hinweis eben nicht mehr ist als eine Behauptung. Wen diese Zeugen genau gesehen haben und wie gut sie Jesus zu Lebzeiten selber kannten - darüber erfahren wir nichts.
Ich sehe das als sehr großen Erfolg gerade im Kontext der Augenzeugen und Apostel.
Dass es in Jerusalem erste christliche Gläubige gab bestreitet ja auch historisch niemand. Aber 3000 Anhänger sind eben noch kein grosser Erfolg im Vergleich zu später... auf Dauer konnte sich der christliche Glaube erst unter Menschen durchsetzen, die mit den Ereignissen um Jesus persönlich nichts zu tun hatten.
Sicher. Das war zwar zu Beginn noch nicht so ganz ausgeprägt, aber das ist nun mal das Ergebnis meiner Bemühungen. Und dazu stehe ich dann eben auch.
Sorry, aber da kann ich nicht erkennen, dass du alle Möglichkeiten wirklich halbweg-neutral geprüft hättest.
Dass dieser Vorwurf ausgerechnet von jemandem kommt, der ganze Wissenschaftszweige komplett ignoriert ist wohl nicht ganz ohne Ironie... unterm Strich schätze ich mal, dass ich fachfremden Bereichen wesentlich aufgeschlossener gegenüber stehe als du.
Ich kann dir allerdings versichern, dass ich deine Ausführungen hier auf jesus.de immer gerne mit Interesse lese, dabei auch oft deinen Links folge und mir sogar das ein oder andere davon auf meiner Festplatte abgelegt habe. Wie weit mein Interesse dabei geht und wieviel Zeit ich dafür aufwende, das bestimme ich in der Tat selber... aber ganz so einfach wie du es dir mit den Naturwissenschaften machst, in denen du dich nur auf eine einzige, völlig unwissenschaftliche Quelle stützt (w & w) mache ich es mir umgekehrt jedenfalls nicht.
Soviel sei auch noch gesagt: Ich schätze deine innerbiblische Fachkenntnis, die innerhalb dieses Rahmens auch logisch, konsequent und nachvollziehbar ist, soweit ich das als Laie beurteilen kann.
Ausserhalb dieses Rahmens kommst du aber, wie hier, meiner Ansicht nach schnell ins Schwimmen, vor allem weil du hier zwischen verschiedenen Bezugsebenen hin- und herspringst.
Und genau das ist so ein Beispiel, in dem du die Bezugsebene wechselst, indem du meiner Kritik der Entstehung des Buches Mormon im Vergleich etwa die Überlieferung der Evanglien gegenüber stellst... obwohl das zwei völlig verschiedene Bereiche sind.
Ähnliches kann man eben nur mit Ähnlichem vergleichen, und natürlich haben alle Vergleiche auch ihre Grenzen - dessen bin ich mir bewusst.